damentennis: etwas das nicht denkt, aber dennoch ein mensch ist.
Mittwoch, 23. September 2009
Markus Werner, "Am Hang"

Viel Wein wird getrunken in diesem schönen Büchlein von Markus Werner, in dem zwei Männer etwas kurios und unklar Freundschaft schließen. Dem Leser schwant schon früh: Oha, da kommt doch noch was! Aber das lässt sich auch alles dem Klappentext entnehmen, das muss ich hier nicht noch erzählen.

Das Buch handelt in Dialogen und Gesprächen über die Welt und, na klar, die Liebe, die beiden Männer sind sehr höflich und schlau, das ist sehr angenehm zu lesen. Es kommt keine Gewalt in diesem Buch vor, auch wenig Action, kein Auto explodiert und niemand wird ermordet, nicht mal ausgeraubt. Der ein oder andere Leser wird am Ende des Buches sagen, dass die Story gut aufgebaut ist und das Ende einen dann sehr nachdenklich hinterlässt, andere werden anderes sagen, alle werden aber Argumente dafür vorbringen können.

Ohne Argumente behaupte ich, dass dieses Buch in gewohnter Werner-Manier sehr schön geschrieben ist und die Story ausreichend Interessantes bietet, um gelesen werden zu können. Sprachlich ist das harmlos und sehr nett, ein wunderbar höfliches Buch, das im Bus für ältere Menschen sicher den Sitzplatz freimachen würde, wenn es denn nur könnte!

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Jörg Fauser, "Die Tournee"

Die Lektüre der Tournee machte mich sehr traurig, denn es war das letzte Buch der tollen Jörg-Fauser-Edition des Alexander Verlags. Nun stehen die Bände Seite an Seite in meinem Regal und erfreuen mich immer, wenn ich das Zimmer betrete. Ansonsten gibt es aber keinen Grund für Traurigkeit, denn die Tournee ist mal wieder ganz wunderbar.

Harry Lipschitz, eine der besten Fauser-Figuren, spielt die Hauptrolle (es war doch Lipschitz, der in einem anderen Buch mal sagte, er würde deshalb in den Puff gehen, weil ihm echte Frauen einfach zu teuer wären?). Auch der grandiose Charles Kuhn (allein schon der Name!) ist wieder mit von der Partie. Es geht um Kunst, Liebe, Sex, das Leben, Scheitern, Kriminalität und noch viel mehr, aber im Grunde geht es eben um Fausers Story.

Dass dieses Buch unvollendet ist, ist überhaupt sehr egal, denn hier geht es nicht um einen geschickten Kriminalfall, sondern um Fausers grandiose Schreibe, um die Situationen, in denen die Figuren handeln. Und davon gibt es reichlich, denn es scheint zu stimmen: Fauser wurde immer besser, bis der Tod ihn stoppte.

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George Spencer Brown, "Dieses Spiel geht nur zu zweit"

George Spencer Brown, oder James Keys: Da hat doch einer den Knall nicht gehört. Entdeckt erst eine logische mathematische Erkenntnis, die Niklas Luhmann fast wahnsinnig werden lässt vor Freude und die dann die gesamte Systemtheorie entspringen lässt, ist dann aber der Meinung, dass mit dieser Prominenz seine Persönlichkeit nicht adäquat abgebildet ist und verdingt sich als Verfasser von Liebesschnulz.

In einer anderen Rezension dieses Buches las ich etwas über seine Motive, also "warum" er dieses Buch verfasste. Aber das ist völlig egal, denn Hauptsache, es liegt hier vor mir. George Spencer Brown, Mr. Re-Entry, schreibt über die Liebe, oder, wie er es ausdrückt: "Die weibliche Sicht der Dinge." Denn die männliche hat er ja schon in seinem Formenkalkül hinlänglich ausgeführt.

Was dabei rumkommt, wenn Brown mal weiblich sieht, das mögen Sie bitte selber beurteilen. Aber allein die Tatsache, dass es so etwas gibt, so ein Buch, so einen Typen, das veranlasst mich zu großer Freude und zum sofortigen Kauf.

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Sibylle Berg, "Und ich dachte, es sei Liebe"

Der Mensch ist ein Archivar. Dieser Satz gilt für folgende Menschen (Liste unvollständig): Benjamin von Stuckrad-Barre, Walter Kempowski, Alexander Kluge, alle Leute, die ihn Archiven arbeiten und neuerdings auch für Sibylle Berg.

Nach mehreren Büchern aus der Missionarsstellung hat Frau Berg die ewige Nichtfickerei jetzt mal satt, keiner fickt schließlich ewig (nicht), und wechselt das Genre. Hier versammelt sie Abschiedsbriefe von Frauen, also Briefe über das Ende der Liebe. Mal wütend, mal ruhig, mal Vorwürfe, mal Entschuldigungen, mal schicke Prosa, mal simpler Gesamtschulslang - man könnte meinen, diese Vielfalt hätte System.

Na, hat sie ja auch! Sonst wäre das ja auch kein Buch wert! Wäre die Welt wie bei den Simpsons, als Bart die Kartonfabrik besichtigt und dann erfährt, dass in den hergestellten Kartons nur kleinere Kartons und darin wiederum nur noch kleinere Kartons verpackt werden, dann wäre das nicht druckwürdig, das wollte man nicht lesen!

Aber das Buch hier, das will man lesen, denn es ist, wie im Radiowerbespot: für jeden etwas dabei. Mit Sicherheit! Abschiedsbriefe aus mehreren Jahrhunderten, von Promis, Königinnen, the girl next door and the girl übernext door. Manchmal, das ist ein besonderer Kaufanreiz, geht es auch sehr vulgär zu - Sexszenen! Muss aber auch erlaubt sein, schließlich geht es hier um ein ganzes Spektrum, das Damoklesschwert der Archivare, das abgebildet werden soll.

Spaß beiseite, der hat in Abschiedsbriefen ja eh nichts verloren. Insgesamt ist das Buch wohl etwas lang, aber die Idee ist doch nett und die besten Sätze kann man auch weiterverweden, insofern ist das auch als Ratgeber nicht uninteressant. Ich denke, dieses Buch musste in einer funktional-differenzierten Gesellschaft mal auf den Markt gebracht werden, falls mal eine Nachfrage entsteht. Mir macht das gar nichts aus, schön war's doch, als ich es las!

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Henry D. Thoreau, "Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat"

Henry D. Thoreau ist ein ziemlicher Klugscheißer, der aber das Glück hat, damals einen Titel für sein Traktat ausgewählt zu haben, der heute noch immer voll in Mode ist. "Ungehorsam gegenüber dem Staat", das ist der letzte gemeinsame Nenner der Linken, der Radikalen, aber auch der kleinen Arbeiterwürste, die auch mal "schwarz aufm Bau" arbeiten. Das ist ungefähr so cool und kreativ wie das Gerede von "Revolution", aber das kann man ja Thoreau nicht anlasten - er ist ja tot und wusste auch nicht, was hier im Jahr 2000 so abgeht.

Thoreau zeigt Moral und damit dem Staat, den er ja liebt, die Faust. Ja, gerade weil er den Staat ja so liebt, muss er in seiner Pflicht als moralischer Bürger ja die Faust zeigen! Und alle moralischen Bürger müssten es ihm gleichtun, wenn sie auch morgen noch als solche in die Spiegel schauen wollen!

Tja, das ist auch schon das ganze Geheimnis dieses Buches. Wer mal wieder lesen will, dass der Staat ja Kriege finanziert und auch so manchmal komische Dinge tut, die die Bürger empören, der sollte sich dieses Buch kaufen. Es ist nicht sonderlich teuer und eher dünn, und immerhin kann man dann auch mit Thoreau argumentieren und nicht immer nur mit dem "gesunden Menschenverstand", diesem Arsch.

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Peter Stamm, "Blitzeis"

"Blitzeis" ist nicht nur ein ähnlich schönes Wort wie "Hungerast", sondern tauchte auch ebenso plötzlich im Sprachgebrauch auf. Der Hungerast wurde bei der Tour de France extra für Jan Ullrich erfunden, vor Blitzeis wurde irgendwann - wahrscheinlich von einem Ministerium - gewarnt, wie später dann vor Anthraxbriefen.

Das hat natürlich nichts mit dem Buch zu tun, das ich mir aber wegen des Titels gekauft habe. Nein, das ist nur die halbe Geschichte: Ich war verzückt, dass Peter Stamm ein Buch mit diesem Titel geschrieben hat und war mir schon im Buchladen sicher, dass es mir sehr gut gefallen wird.

Zuhause dann, wie man sich das so vorstellt, in der Leseecke mit Tee und leichten Drogen, Wolldecke und Räucherstäbchen aus der Abi-Zeit, wurde diese Erwartung erwartungsgemäß erfüllt. Ganz flott las ich dieses Büchlein durch.

Eine junge Frau, in die man sich schon nach sechs Seiten weitestgehend verliebt (seien Sie als Leser also bitte nicht mehr überrascht, wenn es passiert!), lebt in einem tristen Kleinstdorf irgendwo am Arsch des Polarkreises. Sie hat ein Kind, das sie zwar mag, für das sie sich aber nicht so recht begeistern kann und die Männer im Ort kennt sie zwar alle, aber auch da tut sie sich schwer mit der Begeisterung. Generell begeistern sich in diesem Buch wenig Leute für etwas, aber das ist ja nichts Neues bei Peter Stamm.

Sie beschließt, ihre Heimat zu verlassen und will jemanden besuchen, den sie vage kennt, und der in Dänemark (oder war es Norwegen?) wohnt. Dann geht es für Peter Stamms Verhältnisse fast chaotisch zu: Es entwickelt sich eine "rasante" und "verrückte" Geschichte über die Frau und "ihre Männer", ein Schiffskapitän ist "mysteriös" verschollen, sie ver- und entliebt sich wieder und kommt nach alldem zu keinem Schluss. So in etwa geht es zu in Peter Stamms schöner, ruhiger, überschaubarer und freundlich-beängstigender Welt.

Was in dem Buch nicht passiert, sondern gelogen ist: Am Ende der Geschichte kehrt der verschollene Schiffskapitän wieder zurück, aber als junger, gutaussehender Mann und heiratet die Frau, die zwischenzeitlich seinen seit seinem Verschwinden vakanten Kapitänsposten aushilfsweise, aber zur Zufriedenheit aller, übernommen hatte. Gemeinsam wollen sie sich auf nach Nowosibirsk machen, um dort (haha) in den Hafen der Ehe zu schippern. Diese Rechnung haben sie aber ohne der Exmann der Frau gemacht, einen streitsüchtigen Bierkutscher, der den gerade erst wieder aufgetauchten Kapitän in der Nacht vor der geplanten Abfahrt aus Versehen im kalten Meer ersäuft.

Das hätte ja auch kein Mensch lesen wollen, so einen Quatsch.

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Christian Kracht, "Ich werde hier Sein im Sonnenschein und im Schatten"

Es ist unmöglich, dieses Buch nicht zu lieben, aber es ist auch unmöglich, im Januar 2009 noch eine Rezension über "Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten" von Christian Kracht zu schreiben. Es gibt einen wunderschönen Trailer bei youtube, alle Medien, die auch nur ansatzweise etwas auf sich halten, haben ihren besten Mann zum Lobliedschreiben abkommandiert, der Autor Kracht ist hoffentlich mittlerweile steinreich geworden - es ist alles gesagt, geschrieben, gehofft und vermutet.

Wer sich fragt, ob er dieses Buch lesen soll, der möge sich einfach kurz das youtube-Video von Herrn Kracht bei Harald Schmidt anschauen. Wer dies mag und gar lustig findet, der sollte sich das Buch noch heute kaufen. Wer damit nichts anfangen kann oder Herrn Kracht gar einen Vorwurf machen will, der sollte sich das Buch erst morgen kaufen und erstmal eine Nacht drüber schlafen, denn wir alle haben schlechte Tage voller Gram und Ödnis.

Und überhaupt: Wenn ein Buch den Titel "Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten" hat, was gibt es denn da noch zu überlegen? Selten wurde Geld so schön ausgegeben.

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Joachim Lottmann, "Mai, Juni, Juli"

Mai, Juni, Juli ist das wichtigste Buch der deutschen Nachkriegszeit, da hat Joachim Lottmann schon ganz recht, wenn er das behauptet. Lottmann lässt einen jungen Menschen, von dem viele hinter vorgehaltener Hand munkeln, er sei es selber, durch verschiedene größere Städte laufen und schwitzen. Dabei äußert er permanent Meinungen und tauscht sich mit vielerlei Menschen aus, die mal interessant sind, und mal eben nicht.

Lottmann lässt seine Figur gern in Monologen reden, es fallen viele Namen und Theorien. Zudem lobt Lottmanns Figur vieles, z.B. seinen Agenten, der sein Buch rausbringen soll, oder aber auch seine Schreibmaschine, die er ebenfalls sehr mag.

Das Buch sagt uns alles und nichts - gibt es ein schöneres Kompliment? Ja, vielleicht. Aber nicht nach dem zweiten Weltkrieg!

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Peter Stamm, "Agnes"

Peter Stamm kommt aus der Schweiz, was ihn zu einem guten Menschen machen mag, sicher aber macht es ihn noch nicht zu einem guten Autor! Was ihn zu einem guten Autor macht, ist dann auch unklar bzw. Ansichtssache, aber er ist eben einer. Das sage nicht nur ich, der sich oft mal irrt, sondern auch z.B. die "Zeit" und die "Neue Zürcher Zeitung", die sich seltener irren, weil sie sich finanziell die geballte Jury-Kompetenz leisten können.

Peter Stamm also. Sein Buch Agnes ist eine schöne Liebesgeschichte, wobei Peter Stamm ja sagt, dass alle Geschichten Liebesgeschichten seien, ja, dass es geradezu unmöglich sei, etwas anderes zu schreiben. Recht hat er (vielleicht), aber Agnes ist eben eine Liebesgeschichte für Anfänger. Es gibt einen Mann, eine Frau, eine Beziehung, zahlreiche Probleme, Höhen und Tiefen - das alles weist doch einwandfrei auf eine Liebesgeschichte hin, da kann wohl niemand widersprechen!

Die Geschichte ist schön, denn Peter Stamm kann schöne Sätze schreiben. Agnes, die Frau in der Geschichte, ist viel jünger als ihr Freund. Dieser ist nicht nur älter, sondern auch Schriftsteller und wird während der Beziehung von Agnes aufgefordert, "ihre" Geschichte zu schreiben. Was dann passiert, kann man sich vielleicht denken, sicher aber nachlesen, bei Peter Stamm nämlich.

Peter Stamm, der Schweizer, schreibt das alles sehr unaufgeregt, weil das Leben nun mal so ist. Nur selten schreit mal jemand, oft gehen Menschen spazieren, etwas Sex kommt vor, spielt aber keine zentrale Rolle. Die Menschen sind meistens still und leise, was nur teilweise daran liegt, dass die Handlung teilweise in einer Bibliothek stattfindet.

Auch wenn Agnes nicht das beste Buch von Peter Stamm ist, ist es eben ein Buch von Peter Stamm, und daher schon schön.

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Douglas Coupland, "Miss Wyoming"

So sehr ich mich auch bemühen mag, es ist mir leider nicht möglich, über das Buch "Miss Wyoming" etwas Negatives zu sagen. Es ist ein gutes Buch aus Amerika über Amerika und andere Dinge wie Hollywood, Liebe, Leben, Mütter, Töchter, Geld, Ideen und Sex. Das sind, überschlagen, recht angenehme Themen.

Der Autor Douglas Coupland, über den mein Freund Wildberg vollkommen zu Recht urteilte, ihn hätte man mit 17 Jahren lesen sollen, da hätte man ihn auch vollends geliebt, so wie man auch American Beauty geliebt hat, macht beim Schreiben dieses Buches kaum Fehler. Er hält sich weit fern von den Sümpfen der linken Kulturkritik, aber auch der öden Wüste des französischen Nihilistentums, er verzichtet weitgehend auf Ironie und verwendet stattdessen die natürlich wesentlich angenehmere Lakonie. Meint er das ernst was er da schreibt, der Douglas Coupland? Ja, wohl schon!

Thematisch wird Folgendes geboten: Mann mit crazy Leben trifft Frau mit crazy Leben, beide verlieben sich recht unstrukturiert ineinander. In zahllosen Rückblicken wird das verrückte Leben der beiden Personen bis zu diesem Treffen geschildert, es geht humorig zu, mitunter auch ergreifend, aber immer ganz nett, ausreichend komplex und relativ nachvollziehbar. Es ist allemal besser, dieses Buch zu lesen, als z.B. mehrere Abende in Folge im City-Chat rumzuhängen und permanent die Userliste in irgendeiner vagen Hoffnung zu aktualisieren.

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