damentennis: etwas das nicht denkt, aber dennoch ein mensch ist.
Mittwoch, 23. September 2009
Wiglaf Droste, "Der Mullah von Bullerbü"

Auf der Rückseite steht: "Gisela Günzel, die schönste Kommissarin der Welt"..." und Seite eins beginnt dann mit "Gisela Güzel, die schönste Kommissarin der Welt" - ist das jetzt ein ärgerlicher Fehler des Goldmann-Verlages, oder aber kunstvolle Absicht der Herren Droste und Henschel? Zuzutrauen wäre hier allen alles, soviel ist mal sicher!

Zur Sache: Das ist alles immens witzig hier, man lacht quasi permanent laut in die U-Bahn oder das Wohnzimmer oder wo man auch sonst ist, hinein. Es gibt viele Figuren, wenig Zusammenhang, zackige Dialoge und den Fahrraddieb Rudolf Scharping, das alles verpackt in einer Storyline, die sich gewaschen hat und nur von Krimiikonen wie Droste auf die Reihe gebracht werden kann.

Das ganze Spektakel dauert auch nur 155 lockere Seiten, sodass man dieses Buch gut mal zwischen zwei Tom-Clancy-Krimis oder so packen kann.

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Daniel Kehlmann, "Der fernste Ort"

Kehlmann mal wieder. Kurze Story, folgende Idee: Junger Mann mit mäßigem Job spielt seinen eigenen Tod vor, um zu verschwinden und sich abzusetzen. Lustige Idee, die sich auch einige Seiten lang hält, um dann schnell zu verpuffen. Ich weiß es auch nicht. Es gibt ja genug Menschen, die Kehlmann lustig finden, und geistreich, aber ich kann das hier nicht bestätigen.

Sein Humor ist mittelmäßig, die Geschichte lahmt, nur selten gibt es etwas zu lachen. Vielleicht ist das aber auch nur eine persönliche Sache zwischen mir und Daniel, wie ich ihn nenne, die man mal tiefenpsychologisch beleuchten muss: Was hat dieser "damentennis" gegen den Daniel, der doch ein netter Kerl und ein guter Autor ist? Ja, das müsste man wohl mal machen! Ich wäre dann auch gespannt, was dabei rumkommt.

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Haruki Murakami, "Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt"

Harukimurakimisuperstar, was war da eigentlich los? Zu Beginn des Jahrtausend lagen auf einmal auf den Auslagetischen der Buchläden meiner Studienstadt andauernd "empfohlene" Bücher von Murakami. Wer war dieser Mann? Wo kam er her? Was schreibt der denn? Und warum kommen jetzt auf einmal geich alle Bücher auf einmal auf den "Empfohlen"-Tisch? Wo war der Mann denn die letzten Jahre?

Der Reihe nach die Beantwortung der Fragen. Ein Japaner. Aus Japan. Bücher, Romane. Weil das eben so gehandhabt wird! In Japan, nehme ich an. Die Antworten bringen also niemanden weiter, ebensowenig wie die Fragen. Finden wir uns damit ab: auf einmal war Murakami "in" und "gefragt", seine Bücher sollten unters Volk, das deutsche Volk.

Zu Recht, zu recht! Besonders dieses hier ist nämlich toll. Ich las es mit gebannter Haltung, war gespannt auf das Ende - toll, toll. Der Japaner schreibt hier in zwei Erzählsträngen, die beide sehr merkwürdig sind und in zwei Welten spielen, aber eben dann doch wieder verständlich und spannend [...].

Von den Büchern, die ich von Murakami las - es waren vier - war es das mit Abstand beste Buch, was aber nicht gegen die anderen drei spricht, sondern nur für dieses hier.

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Wenedikt Jerofejew, "Die Reise nach Petuschki"

Ein Russe fährt zu seiner Geliebten, mit der Bahn. Soweit kein Thema, wäre der Russe nicht Alkoholiker und auch sonst etwas daneben. So reist er trinkend nach Petuschki zur Geliebten und je voller der Russe wird, desto mehr Fahrt nimmt das Buch auch auf. Das ist dann lustig, na klar.

Den betrunkenen Russen mag der Leser sofort, denn man selber ist auch hin und wieder betrunken, wenn auch kein Russe. So sind die Monologe des Trinkenden nachvollziehbar und sympathisch dumm, wie man eben selber auch ist, wenn man so viel und schnell trinkt.

Ganz bestimmt verharmlost dieses Buch das Problem des Alkoholismus - das ist nämlich, um mal Realist zu sein, gar nicht so lustig, sondern ganz fies und schlimm, das zerstört Familien, Leben, Welten, mindestens! Wer also dem Realismuns zugeneigt ist, der lese lieber anderes oder schreibe Leserbriefe. Proust! Ähhhh, Prost!

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Jonathan Saran Foer, "Extrem laut und unglaublich nah"

Der 11. September 2001, alleinerziehender Vater, die Weltsicht eines hochbegabten Jungen - trotz all dieser eindringlichen Warnungen, dieses Buch eben nicht zu lesen, habe ich es auf Anraten eines stilsicheren Freundes getan. Und es war ganz toll, ehrlich.

Hier geht es witzig und ergreifend zu, die Geschichte ist wunderschön und spannend, aber auch lakonisch und niedlich. Man nimmt diese Buch ganz unweigerlich in den Arm, erwischt sich dann dabei und tadelt sich, weil es ja nur ein Buch ist, nur um es dann direkt wieder in den Arm zu nehmen.

Sozialkitsch, Melodramatik, Betroffenheitslyrik, Erklärungsstück - all das ist nicht zu finden. Ein größeres Lob kann ich einem Buch in diesem Themenspektrum nicht machen.

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Daniel Kehlmann, "Unter der Sonne"

Daniel Kehlmann ist berühmt, beliebt und Fan von den Simpsons. Er scheibt Bücher im Suhrkamp-Verlag, die meisten davon haben kurze Titel, sind dünn und flott zu lesen. "Unter der Sonne" ist auch dünn und flott zu lesen, aber schon nach kurzer Zeit ist das auch der einzige Grund, den Mut nicht zu verlieren.

Die Geschichte ist öde und mit einem Humor erzählt, der mich an Referatstreffen an der Universität denken lässt. Ich würde dieses Buch meiner Mutter zum Geburtstag schenken, weil sie es sicher "originell" finden würde, vielleicht gar "frech" oder aber "mal was anderes". Sowas eben, was nur Mütter und sexy neue Freundinnen denken und offen aussprechen dürfen.

Echten Freunden würde ich es aber nicht schenken, stattdessen würde ich ihnen bei jeder Gelegenheit zu verstehen geben, dass sie diese dünnen Kehlmann-Bücher - bis auf das wirklich witzige "Ich und Kaminski" - meiden sollen, wo immer es geht.

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Rolf Dieter Brinkmann, "Keiner weiß mehr"

Achtung, Literaturkanon! Wer etwas auf sich hält im Linksspießermilieu, der kommt an Rolf Dieter Brinkmann nicht vorbei. Flinke Zunge, früher Tod - Brinkmann genießt einen guten Ruf bei Pop und Feuilleton gleichermaßen.

So geht es zu im Buch:

Seite eins: Mann sitzt auf Bett und denkt nach.
Seite neunundzwanzig: Mann sitzt weiterhin auf dem Bett und denkt nach.
Seite einundvierzig: Mann geht nachdenkend zum Küchentisch.
Seite neunundvierzig: Mann macht die Zigarette aus, die er auf Seite vierundvierzig nachdenkend angesteckt hatte.
Seite sechzig: Der Leser (ich!) fragt sich, Kanon hin, Kanon her, wie lange er das Nachdenken noch lesen mag.
Seite achtundsechzig: Der Leser (immernoch ich!) bildet sich das Urteil, dass dieses Buch sicher ganz gut, für ihn jedoch eher öde und träge ist.

Anstatt weiterzulesen, beruft der Leser (ja!) eine Literaturrunde ein, bestehend aus Freund Wildberg und zwei absoluten Kanonexperten, um zu debattieren, was es mit Rolf Dieter Brinkmann, seinem Ruf und seinem Platz im Kanon auf sich hat. Es wird viel geraucht und geflucht, Alkohol wird ausgeschenkt, Meinungen überschlagen sich. In etwa so:

Wildberg: "Brinkmann, pah, überschätzt, versteh ich nicht, dass der so gehypt wird! Wenn man das mit Fauser vergleicht..."

Erster Kanon-Experte: "Naja, immerhin war er der erste... Vorreiterfunktion... Popliteratur... grundlegendes geschaffen... neues Genre... Mut, völlig unüblich damals... Revolution!"

Zweiter Kanon-Experte: "Im Gegensatz zu dem, was man heute so geboten bekommt.... Stuckrad-Barre, ohjemine... Qualität und Maßstab..."

Der Leser (ich!): "Och Kinder, nu ist aber mal gut. Das mag ja alles stimmen, aber das Buch war nun mal langweilig. Nicht schlecht, das kann ich gar nicht mal sagen, aber mich zog es immer weg vom Buch, hin zum Spülen oder Staubsaugen..."

Wildberg:" Du hast ja eh keine Ahnung, du Arsch."

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Walter Kempowski, "Heile Welt"

Weil ich Walter Kempowski, pardon, "so geil finde", habe ich mir dieses Buch gekauft. Alles, was ich von Walter Kempowski im Fernsehen gesehen habe, in den Interviews, war großartig: Ein uralter Mann mit lustiger Stimme, der Sätze sagt wie "mit Günter Grass kann man doch nicht reden, das geht doch nicht", immer etwas verdrossen, aber hellwach und lustig.

Das Buch habe ich aber nicht zu Ende gelesen, dabei lese ich - das ergab eine Erhebung des statistischen Bundesamts - rund 90 Prozent der Bücher zu Ende, die ich mir kaufe. Das war schon ganz nett, so ein junger Lehrer in der Nachkriegs-Kleinstadt, nein, eher Dorf, wo die Leute noch immer irgendwie Nazis sind und die Zeit stillsteht. Das habe ich alles nach 100 Seiten verstanden, nach 200 war es dann auserzählt, nach 300, 400, was auch immer, neuer wirds nicht, länger aber schon - kurzum: mir war das Buch ein bisschen zu lang.

Walter Kempowski ist aber trotzdem super.

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Douglas Adams, "Per Anhalter durch die Galaxis"

Ohje, das kann doch niemand ernst meinen - eine Rezension dieses Buches, das eh jeder besitzt, oder dieses Autors, den eh jeder kennt? Nein, ohne mich!

Stattdessen möchte ich den Platz hier nutzen, um eine Anekdote zu erzählen. Ein Freund, den ich während meiner Studienzeit hatte, erzählte mir eines Abends in einer Kneipe, dass er zusammen mit Freunden eine Band gegründet habe, mit der er ab jetzt musizieren wolle. Sie hieß "Per Anhalter und die Galaxis", wobei, so erklärte der Freund, er dann Per Anhalter sei, der Bandleader, und die Freunde würden unter "die Galaxis" zusammengefasst.

Die Situation wurde nun problematisch. Der Freund erwartete nun Lob oder zumindest wohlwollendes Lächeln ob seiner Geistreichheit bei der Bandbenennung, dazu war ich aber nicht fähig. Geschockt und missmutig nuschelte ich in mein Bier, was ich sagte, war uninteressant und kaum stringent. Bald verließ ich die Kneipe und den Freund, später dann die Uni und die Stadt, etwas geduckt, ob der vielen schlechten Witze während all der Jahre in all den Kneipen.

Die Moral von der Geschichte: Das Buch ist viel witziger als alles, was Menschen mit dem Buch machen können. Douglas Adams hat Witze wie den meines Freundes nicht verdient. Ich möchte mich dafür entschuldigen.

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F. Scott Fitzgerald, "Zärtlich ist die Nacht"

Vor einem Menschen, der alle Bücher von F. Scott Fitzgerald derart auseinanderhalten kann, dass er die Personen und Orte und Hadlungsstränge, die sich ja immer sehr ähnlich sind, präzise den jeweiligen Buchtiteln zuordnen kann, ziehe ich jederzeit den Hut, das halte ich für eine große Leistung. War das jetzt Anthony Patch? Amaury Blane? Oder wer handelt hier in "Zärtlich ist die Nacht"?

Ich selber weiß es nicht mehr, aber das ist auch egal, denn Bücher von Fitzgerald sind nicht nur immer ähnlich, sondern auch immer super. Wer den Großen Gatsby mag, der mag auch "Die Schönen und Verdammten", mag eben auch dieses Buch hier. Storyline: Mann und Frau, Hollywood, Liebe, leere Welt, vage Gefühle, schöne Sprache, Prunk und Scheitern, Borniertheit und Schönheit.

Ob nach der Lektüre von drei oder vier ja immer recht langen Büchern von Fitzgerald erste Ermüdungserscheinungen einsetzen, weiß ich nicht. Sicher, die ersten beiden Bücher sind wahrscheinlich die schönsten, wie auch die ersten beiden Biere immer die leckersten sind, aber da zumindest ich auch das siebte und achte Bier immer ohne zu meckern trinke, möchte ich auch Fitzgerald nach all den Büchern keine Abgestandenheit anlasten.

Sonder eher: ihn pauschal loben, ihn verehren und ihm danken, dass er so viele Bücher geschrieben hat, die zwar alle gleich sind, aber eben auch alle cool. Amaury Blane war aber am coolsten, und der spielt hier leider nicht mit.

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Ulrich Peltzer, "Alle oder keiner"

Bernhard trifft in diesem Buch Christine und kommt dadurch zu dem Schluss, dass sich sein Leben ändern muss. So steht das hinten auf dem Suhrkampf-Taschenbuch, das ganz schön aussieht und sich noch schöner lesen lässt. Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht mehr, was da mit Bernhard los war und mit Christine, ob sich Leben geändert haben, zum Guten oder zum Wasweißichauchimmer, aber was ich noch weiß ist, dass die Sprache wunderschön war.

Viele Kommas, lange Sätze ohne Druck, Bezeichnung und Aussage, es fließt in mattem, sanftem Licht dahin und erzählt von Menschen, die etwas tun, sich auch etwas denken, Dinge vermasseln und nicht schlauer werden, weil das Leben keine lineare Erfolgsgeschichte, sondern eben ein Leben ist. Hier sind entweder alle Helden, oder keiner, aber darum heißt das Buch sicher nicht so, das ist bestimmt Zufall.

Absätze beginnen hier mit Kleinbuchstaben, mitten im Satz also, es ist verschachtelt wie das Denken und Beobachten selber, unklar, diffus, ohne Moral und Aussage. Schön eben. Und bei einer Gesamtlänge von 243 Seiten allemal einen Versuch wert.

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Niklas Luhmann, "Protest"

"Gegen Komplexität lässt sich nicht protestieren. Wer protestieren will, muss also erstmal die Verhältnisse platthauen." Jaja, der Niklas Luhmann, der ist schon lustig. Hier geht es aber sehr theoretisch zur Sache - zum Glück! -, verstanden habe ich wenig, aber immerhin: etwas.

Und wenn im Jahr 2009 noch immer über Protest gesprochen werden muss, dann doch bitte so, wie Luhmann das etabliert. Bevor man protestiert, sollte man sich zumindest mal klarmachen, was man da überhaupt tut. In diesem Buch steht das ansatzweise drin, man muss es nur rauslesen können.

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Oswald Spengler, "Ich beneide jeden, der lebt"

Gekauft habe ich dieses Buch natürlich wegen des Titels, der mir auch heute noch gut gefällt. Ich war dann auch schnell zufrieden mit dem Kauf, denn was man dort über Spengler erfährt, ist durchaus witzig: Er war eine theoretisch begnadete Vollwurst voller Komplexe, machte aber eine wundervolle Denkbewegung populär. Nämlich diese: Ein Gedanke ist exakt im Moment seiner Entstehung toll, neu und begeisternd. Ihn dann aber in Textform umzusetzen, oder ihn argumentativ an Mitmenschen zu veräußern, zerstört den Gedanken, nimmt ihm seine Größe und macht ihn trivial.

Hätten z.B. Comedians dieses Buch gelesen und beherzigt, hätten sie niemals ihren heutigen Job erlernt. Das ist doch mal was, oder?

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Henryk M. Broder, "Hurra, wir kapitulieren!"

Bitte lesen Sie die Bücher von Broder, Matussek und Diekmann in kurzer Abfolge hintereinander und suchen sich dann ihren Lieblingsintellektuellen aus. Wenn Sie alle drei Bücher doof fanden, dann wählen sie einfach Roger Willemsen, das geht immer.

Broder macht hier folgendes: Er widmet sich einem Thema, das gesellschaftlich mit dem Begriff "heikel" gelabelt ist, und benutzt Argumente, die auf der Straße liegen, um dann "mutig" etwas herauszustellen. Das ist natürlich nicht mutig, sondern nur zwangsläufig: wer argumentiert, kommt auch zu Ergebnissen. welche das sind, ist eben eine Frage der Argumentauswahl.

Hier geht es nicht um die Verlotterung der Gesellschaft, die Umweltverschmutzung oder die Überinformiertheit, nein, Broder erfüllt die neue Pflicht aller "Promis", auch in Buchform auf sich aufmerksam zu machen, mit dem Thema Islam. Hoho, heikel heikel, mutig mutig und brandaktuell! Während z.B. Ex-Boxer grundehrliche Lebensberichte veröffentlichen, muss Broder als Journalist mindestens den Gestus der Wissenschaft gebrauchen, um seine eigene Meinung ans Volk zu bringen. Hier steht nicht "ich finde das doof", sondern "das ist doof, weil" - natürlich geht es hier nur um Broder und seine Weltsicht, das wird aber hinter dem Gestus der Wissenschaft versteckt. Das Buch soll auch niemanden belehren und auch keine Augen öffnen, das geht ja auch gar nicht mit diesen Argumenten, da man ja immer weiß, dass auch die Gegenmeinung argumentativ aufbereitet werden kann und als solche immer ebensoviel wert ist, aber immerhin hat Broder ein Buch geschrieben, dass ihn jetzt als "kritischen Meinungsäußerer, der kein Blatt von den Mund nimmt" kennzeichnet.

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Markus Werner, "Bis bald"

"Bis bald" von Markus Werner ist ein hochgradig politisches Buch. Es spielt in Israel, nahe der Gaza-Grenze und ist schon deshalb hochaktuell, gerade auch heute. Werner entwickelt trickreich und hintergründig die Geschichte von zwei Familienclans, die sich erst mögen, dann zerstreiten, dann wieder versöhnen und schließlich aus politischen Gründen mit dem Tode bedrohen. Ungeachtet dieser widrigen Umstände kommt es zu einem überraschenden Techtelmechtel zwischen zwei offiziell verfeindeten Clanmitgliedern, das sich zur handfesten Liebe auswächst.

Das war natürlich gelogen, in diesem Buch geht es um nichts dergleichen. Es geht um Sprache, vielleicht auch um Humor, sicher aber um Menschen und Liebe, also die einzigen beiden Themen, die uns wirklich alle betreffen. Die Welt von Markus Werner bleibt überschaubar in Sachen Komplexität, die Akteure sind sympathische Sonderlinge, die aber, na logo, gerade deshalb so prima nachvollziehbar sind.

Weil alle Bücher von Markus Werner gut sind, ist auch "Bis bald" gut. Kaufen, lesen, ins Regal stellen.

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Clemens Meyer, "Die Nacht, die Lichter"

Das wichtigste an Clemens Meyer, diesem Superstar der deutschen Undergroundleser, scheint ja zu sein, dass er früher in verschiedenen Jobs gearbeitet hat, z.B. auch als Nachtwächter. Dieser, gesellschaftlich als total verrücktes Detail etablierte, Fakt steht in jeder Rezension über Meyer drin, als würde er etwas begründen oder erklären.

Dabei möchte ich sagen, dass Clemens Meyer einfach schöne Kurzgeschichten schreiben kann. Die Figuren sind eher Loser als Winner, das Licht ist eher gedimmt als hell, die Getränke eher Whiskey als Sex on the beach, die Situationen eher schäbig als glänzend. Meyer beschreibt gerne mal die armen Säue der Welt, die sich aber auch mit Problemen rumschlagen und diese irgendwie bewältigt haben wollen. Man könnte ihn wohl den Hollywoodreporter der Linksspießer nennen.

Aber er versteht sein Handwerk, hat gute Ideen und schreibt schöne Geschichten. Da kann das Feuilleton ihn feiern, bis es abgeschafft wird: er ist einfach gut. Punkt.

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Simon Borowiak, "Wer wem wen"

Hach, das ist aber fies. Simon Borowiak schickt ein paar nicht mehr so vollkommen junge Menschen in den Skiurlaub. Klar, das ist nie schön für Außenstehende, aber Borowiak lässt auch wirklich kein Detail aus, um alles noch viel peinlicher zu machen. Beziehungen, die eben funktionieren wie Beziehungen, Gespräche, die eben funktionieren wie Gespräche und Discotheken, die eben - genau.

Der klinisch verrückte Hauptdarsteller erscheint schon nach wenigen Seite als der einzig vernünftige Mensch in diesem Buch, was dann eben zeigt, dass man mit Vernunft auch nicht weiterkommt, ja, dass sie recht unwichtig ist. Einige Figuren in diesem Buch sind wegen ihre Nachvollziehbarkeit so erschreckend real, dass es mich als Leser schauderte und ich das Buch immer mal wieder weglegen musste, um mich zu vergewissern, dass bei mir soweit alles okay ist (bzw. ob noch Bier im Haus ist).

Flott geschrieben ist es auch, kurzweilig natürlich sowieso - spricht also wenig gegen. Im Gegenteil! Auch für Freunde des Gruppen-Skirurlaubs lesbar, wenn auch eventuell mit Abstrichen!

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Hans U. Möhring, "Vom Schweigen meines Übersetzers"

Auf Seite 52 des Buches fragte ich mich, warum genau ich mir dieses Buch denn überhaupt geholt hatte. Nicht, weil es so unerträglich schlecht wäre, sondern nur, weil man sich manchmal eben Fragen stellt, deren Ursprung vollends unklar ist. Ich konnte die Frage nicht beantworten, schüttelte den Kopf und verlor das Interesse an diesem Buch, das tatsächlich von der Beziehung eines Autors zu seinem Übersetzer handelt.

Vielleicht war ich auch davon enttäuscht und hatte anderes erwartet, Aliens oder Verschwörungstheorien vielleicht, jedenfalls staubte das dicke Hardcover-Buch dann länger auf meinem Nachttisch zu und musste mitansehen, wie ich lieber F. Scott Fitzgerald oder Markus Werner las. Jetzt steht das Buch eher stolz im Regal und nimmt Platz weg.

Ob ich es jemals noch lesen werde? Ehrlich, ich weiß es nicht! Aber ob Happy End oder nicht: Das Buch ist es nicht schuld, es ist meine Schuld! Das Buch ist bestimmt ganz gut!

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Harald Martenstein, "Vom Leben gezeichnet"

Hahahahaharald Martenstein also, der ist schon ganz witzig. Kennt ihr doch, oder? Den Harald Martenstein. Er mag Max Goldt und weiß um die Probleme, in Deutschland eine gute Kolumne zu schreiben. So beginnt auch das Buch, mit jeder Menge Understatement, wo der Leser schon sagt: "Na, Harald, deine Bescheidenheit ehrt dich ja, aber hey, du machst das schon prima, das lese ich doch jede Woche im 'Zeit Magazin' und nur darum habe ich mir diese Sammlung deiner tollsten Stücke doch überhaupt geholt."

Es gibt also nur Gewinner beim Kauf dieses Buchs. Der Humor ist zu loben, die Kolumnen sehr kurz, thematisch weit gefächert und sehr unaufdringlich. Oft muss man schmunzelt, immer wieder auch lachen und zwischendurch findet man auch Sätze, die so schön sind, dass man sie sich ins Profil bei facebook packen will, damit alle Welt daran teilhaben kann.

Wer es schafft, sich nicht vom albernen Cover abschrecken zu lassen, wird dafür mit einem schönen Buch belohnt.

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Peter Stamm, "An einem Tag wie diesem"

Ja, dieses Buch hat mir gefallen, aber fragen Sie mich jetzt bitte nicht, worum es darin geht. Das habe ich vergessen. Ich müsste mich nur umdrehen und das entsprechende Buch aus dem Schrank holen, kurz drin blättern und schwupps, da wäre die Erinnerung wieder. Aber das mache ich nicht, denn das wäre mir zu professionell und zu angeberisch, außerdem steht der Inhalt des Buchs ja ohnehin bei amazon oder sonstwo im Internet.

Es war mein erstes Buch des Autors Peter Stamm, anschließend las ich dann recht zügig drei weitere Bücher von ihm, alle waren in etwa ähnlich gut. Ob dieses Buch nun sein Bestes ist, weiß ich auch nicht mehr, aber es ist sein Neuestes (Stand: Januar 2009), soviel ist mal sicher.

Wahrscheinlich geht es in dem Buch um ein Paar, um Liebe und Probleme bei der Umsetzung derselben im normalen Lebensalltag. Vielleicht schildert Stamm auch "eindringlich", wie die Liebe den Menschen in den Händen zerrinnt "wie Sand", wohl eher wäre ihm diese schnöde Metapher aber wohl peinlich und ärgerlich. Aber doch, ich glaube schon, dass es in dem Buch um Liebe ging.

Wie auch immer, das Buch empfand ich als sehr lesenswert und es ist auch nicht so dick, sodass man sehr schnell schon wieder Zeit für andere Tätigkeiten hat, die einem lieb sind.

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Markus Werner, "Am Hang"

Viel Wein wird getrunken in diesem schönen Büchlein von Markus Werner, in dem zwei Männer etwas kurios und unklar Freundschaft schließen. Dem Leser schwant schon früh: Oha, da kommt doch noch was! Aber das lässt sich auch alles dem Klappentext entnehmen, das muss ich hier nicht noch erzählen.

Das Buch handelt in Dialogen und Gesprächen über die Welt und, na klar, die Liebe, die beiden Männer sind sehr höflich und schlau, das ist sehr angenehm zu lesen. Es kommt keine Gewalt in diesem Buch vor, auch wenig Action, kein Auto explodiert und niemand wird ermordet, nicht mal ausgeraubt. Der ein oder andere Leser wird am Ende des Buches sagen, dass die Story gut aufgebaut ist und das Ende einen dann sehr nachdenklich hinterlässt, andere werden anderes sagen, alle werden aber Argumente dafür vorbringen können.

Ohne Argumente behaupte ich, dass dieses Buch in gewohnter Werner-Manier sehr schön geschrieben ist und die Story ausreichend Interessantes bietet, um gelesen werden zu können. Sprachlich ist das harmlos und sehr nett, ein wunderbar höfliches Buch, das im Bus für ältere Menschen sicher den Sitzplatz freimachen würde, wenn es denn nur könnte!

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Jörg Fauser, "Die Tournee"

Die Lektüre der Tournee machte mich sehr traurig, denn es war das letzte Buch der tollen Jörg-Fauser-Edition des Alexander Verlags. Nun stehen die Bände Seite an Seite in meinem Regal und erfreuen mich immer, wenn ich das Zimmer betrete. Ansonsten gibt es aber keinen Grund für Traurigkeit, denn die Tournee ist mal wieder ganz wunderbar.

Harry Lipschitz, eine der besten Fauser-Figuren, spielt die Hauptrolle (es war doch Lipschitz, der in einem anderen Buch mal sagte, er würde deshalb in den Puff gehen, weil ihm echte Frauen einfach zu teuer wären?). Auch der grandiose Charles Kuhn (allein schon der Name!) ist wieder mit von der Partie. Es geht um Kunst, Liebe, Sex, das Leben, Scheitern, Kriminalität und noch viel mehr, aber im Grunde geht es eben um Fausers Story.

Dass dieses Buch unvollendet ist, ist überhaupt sehr egal, denn hier geht es nicht um einen geschickten Kriminalfall, sondern um Fausers grandiose Schreibe, um die Situationen, in denen die Figuren handeln. Und davon gibt es reichlich, denn es scheint zu stimmen: Fauser wurde immer besser, bis der Tod ihn stoppte.

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George Spencer Brown, "Dieses Spiel geht nur zu zweit"

George Spencer Brown, oder James Keys: Da hat doch einer den Knall nicht gehört. Entdeckt erst eine logische mathematische Erkenntnis, die Niklas Luhmann fast wahnsinnig werden lässt vor Freude und die dann die gesamte Systemtheorie entspringen lässt, ist dann aber der Meinung, dass mit dieser Prominenz seine Persönlichkeit nicht adäquat abgebildet ist und verdingt sich als Verfasser von Liebesschnulz.

In einer anderen Rezension dieses Buches las ich etwas über seine Motive, also "warum" er dieses Buch verfasste. Aber das ist völlig egal, denn Hauptsache, es liegt hier vor mir. George Spencer Brown, Mr. Re-Entry, schreibt über die Liebe, oder, wie er es ausdrückt: "Die weibliche Sicht der Dinge." Denn die männliche hat er ja schon in seinem Formenkalkül hinlänglich ausgeführt.

Was dabei rumkommt, wenn Brown mal weiblich sieht, das mögen Sie bitte selber beurteilen. Aber allein die Tatsache, dass es so etwas gibt, so ein Buch, so einen Typen, das veranlasst mich zu großer Freude und zum sofortigen Kauf.

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Sibylle Berg, "Und ich dachte, es sei Liebe"

Der Mensch ist ein Archivar. Dieser Satz gilt für folgende Menschen (Liste unvollständig): Benjamin von Stuckrad-Barre, Walter Kempowski, Alexander Kluge, alle Leute, die ihn Archiven arbeiten und neuerdings auch für Sibylle Berg.

Nach mehreren Büchern aus der Missionarsstellung hat Frau Berg die ewige Nichtfickerei jetzt mal satt, keiner fickt schließlich ewig (nicht), und wechselt das Genre. Hier versammelt sie Abschiedsbriefe von Frauen, also Briefe über das Ende der Liebe. Mal wütend, mal ruhig, mal Vorwürfe, mal Entschuldigungen, mal schicke Prosa, mal simpler Gesamtschulslang - man könnte meinen, diese Vielfalt hätte System.

Na, hat sie ja auch! Sonst wäre das ja auch kein Buch wert! Wäre die Welt wie bei den Simpsons, als Bart die Kartonfabrik besichtigt und dann erfährt, dass in den hergestellten Kartons nur kleinere Kartons und darin wiederum nur noch kleinere Kartons verpackt werden, dann wäre das nicht druckwürdig, das wollte man nicht lesen!

Aber das Buch hier, das will man lesen, denn es ist, wie im Radiowerbespot: für jeden etwas dabei. Mit Sicherheit! Abschiedsbriefe aus mehreren Jahrhunderten, von Promis, Königinnen, the girl next door and the girl übernext door. Manchmal, das ist ein besonderer Kaufanreiz, geht es auch sehr vulgär zu - Sexszenen! Muss aber auch erlaubt sein, schließlich geht es hier um ein ganzes Spektrum, das Damoklesschwert der Archivare, das abgebildet werden soll.

Spaß beiseite, der hat in Abschiedsbriefen ja eh nichts verloren. Insgesamt ist das Buch wohl etwas lang, aber die Idee ist doch nett und die besten Sätze kann man auch weiterverweden, insofern ist das auch als Ratgeber nicht uninteressant. Ich denke, dieses Buch musste in einer funktional-differenzierten Gesellschaft mal auf den Markt gebracht werden, falls mal eine Nachfrage entsteht. Mir macht das gar nichts aus, schön war's doch, als ich es las!

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Henry D. Thoreau, "Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat"

Henry D. Thoreau ist ein ziemlicher Klugscheißer, der aber das Glück hat, damals einen Titel für sein Traktat ausgewählt zu haben, der heute noch immer voll in Mode ist. "Ungehorsam gegenüber dem Staat", das ist der letzte gemeinsame Nenner der Linken, der Radikalen, aber auch der kleinen Arbeiterwürste, die auch mal "schwarz aufm Bau" arbeiten. Das ist ungefähr so cool und kreativ wie das Gerede von "Revolution", aber das kann man ja Thoreau nicht anlasten - er ist ja tot und wusste auch nicht, was hier im Jahr 2000 so abgeht.

Thoreau zeigt Moral und damit dem Staat, den er ja liebt, die Faust. Ja, gerade weil er den Staat ja so liebt, muss er in seiner Pflicht als moralischer Bürger ja die Faust zeigen! Und alle moralischen Bürger müssten es ihm gleichtun, wenn sie auch morgen noch als solche in die Spiegel schauen wollen!

Tja, das ist auch schon das ganze Geheimnis dieses Buches. Wer mal wieder lesen will, dass der Staat ja Kriege finanziert und auch so manchmal komische Dinge tut, die die Bürger empören, der sollte sich dieses Buch kaufen. Es ist nicht sonderlich teuer und eher dünn, und immerhin kann man dann auch mit Thoreau argumentieren und nicht immer nur mit dem "gesunden Menschenverstand", diesem Arsch.

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Peter Stamm, "Blitzeis"

"Blitzeis" ist nicht nur ein ähnlich schönes Wort wie "Hungerast", sondern tauchte auch ebenso plötzlich im Sprachgebrauch auf. Der Hungerast wurde bei der Tour de France extra für Jan Ullrich erfunden, vor Blitzeis wurde irgendwann - wahrscheinlich von einem Ministerium - gewarnt, wie später dann vor Anthraxbriefen.

Das hat natürlich nichts mit dem Buch zu tun, das ich mir aber wegen des Titels gekauft habe. Nein, das ist nur die halbe Geschichte: Ich war verzückt, dass Peter Stamm ein Buch mit diesem Titel geschrieben hat und war mir schon im Buchladen sicher, dass es mir sehr gut gefallen wird.

Zuhause dann, wie man sich das so vorstellt, in der Leseecke mit Tee und leichten Drogen, Wolldecke und Räucherstäbchen aus der Abi-Zeit, wurde diese Erwartung erwartungsgemäß erfüllt. Ganz flott las ich dieses Büchlein durch.

Eine junge Frau, in die man sich schon nach sechs Seiten weitestgehend verliebt (seien Sie als Leser also bitte nicht mehr überrascht, wenn es passiert!), lebt in einem tristen Kleinstdorf irgendwo am Arsch des Polarkreises. Sie hat ein Kind, das sie zwar mag, für das sie sich aber nicht so recht begeistern kann und die Männer im Ort kennt sie zwar alle, aber auch da tut sie sich schwer mit der Begeisterung. Generell begeistern sich in diesem Buch wenig Leute für etwas, aber das ist ja nichts Neues bei Peter Stamm.

Sie beschließt, ihre Heimat zu verlassen und will jemanden besuchen, den sie vage kennt, und der in Dänemark (oder war es Norwegen?) wohnt. Dann geht es für Peter Stamms Verhältnisse fast chaotisch zu: Es entwickelt sich eine "rasante" und "verrückte" Geschichte über die Frau und "ihre Männer", ein Schiffskapitän ist "mysteriös" verschollen, sie ver- und entliebt sich wieder und kommt nach alldem zu keinem Schluss. So in etwa geht es zu in Peter Stamms schöner, ruhiger, überschaubarer und freundlich-beängstigender Welt.

Was in dem Buch nicht passiert, sondern gelogen ist: Am Ende der Geschichte kehrt der verschollene Schiffskapitän wieder zurück, aber als junger, gutaussehender Mann und heiratet die Frau, die zwischenzeitlich seinen seit seinem Verschwinden vakanten Kapitänsposten aushilfsweise, aber zur Zufriedenheit aller, übernommen hatte. Gemeinsam wollen sie sich auf nach Nowosibirsk machen, um dort (haha) in den Hafen der Ehe zu schippern. Diese Rechnung haben sie aber ohne der Exmann der Frau gemacht, einen streitsüchtigen Bierkutscher, der den gerade erst wieder aufgetauchten Kapitän in der Nacht vor der geplanten Abfahrt aus Versehen im kalten Meer ersäuft.

Das hätte ja auch kein Mensch lesen wollen, so einen Quatsch.

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Christian Kracht, "Ich werde hier Sein im Sonnenschein und im Schatten"

Es ist unmöglich, dieses Buch nicht zu lieben, aber es ist auch unmöglich, im Januar 2009 noch eine Rezension über "Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten" von Christian Kracht zu schreiben. Es gibt einen wunderschönen Trailer bei youtube, alle Medien, die auch nur ansatzweise etwas auf sich halten, haben ihren besten Mann zum Lobliedschreiben abkommandiert, der Autor Kracht ist hoffentlich mittlerweile steinreich geworden - es ist alles gesagt, geschrieben, gehofft und vermutet.

Wer sich fragt, ob er dieses Buch lesen soll, der möge sich einfach kurz das youtube-Video von Herrn Kracht bei Harald Schmidt anschauen. Wer dies mag und gar lustig findet, der sollte sich das Buch noch heute kaufen. Wer damit nichts anfangen kann oder Herrn Kracht gar einen Vorwurf machen will, der sollte sich das Buch erst morgen kaufen und erstmal eine Nacht drüber schlafen, denn wir alle haben schlechte Tage voller Gram und Ödnis.

Und überhaupt: Wenn ein Buch den Titel "Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten" hat, was gibt es denn da noch zu überlegen? Selten wurde Geld so schön ausgegeben.

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Joachim Lottmann, "Mai, Juni, Juli"

Mai, Juni, Juli ist das wichtigste Buch der deutschen Nachkriegszeit, da hat Joachim Lottmann schon ganz recht, wenn er das behauptet. Lottmann lässt einen jungen Menschen, von dem viele hinter vorgehaltener Hand munkeln, er sei es selber, durch verschiedene größere Städte laufen und schwitzen. Dabei äußert er permanent Meinungen und tauscht sich mit vielerlei Menschen aus, die mal interessant sind, und mal eben nicht.

Lottmann lässt seine Figur gern in Monologen reden, es fallen viele Namen und Theorien. Zudem lobt Lottmanns Figur vieles, z.B. seinen Agenten, der sein Buch rausbringen soll, oder aber auch seine Schreibmaschine, die er ebenfalls sehr mag.

Das Buch sagt uns alles und nichts - gibt es ein schöneres Kompliment? Ja, vielleicht. Aber nicht nach dem zweiten Weltkrieg!

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Peter Stamm, "Agnes"

Peter Stamm kommt aus der Schweiz, was ihn zu einem guten Menschen machen mag, sicher aber macht es ihn noch nicht zu einem guten Autor! Was ihn zu einem guten Autor macht, ist dann auch unklar bzw. Ansichtssache, aber er ist eben einer. Das sage nicht nur ich, der sich oft mal irrt, sondern auch z.B. die "Zeit" und die "Neue Zürcher Zeitung", die sich seltener irren, weil sie sich finanziell die geballte Jury-Kompetenz leisten können.

Peter Stamm also. Sein Buch Agnes ist eine schöne Liebesgeschichte, wobei Peter Stamm ja sagt, dass alle Geschichten Liebesgeschichten seien, ja, dass es geradezu unmöglich sei, etwas anderes zu schreiben. Recht hat er (vielleicht), aber Agnes ist eben eine Liebesgeschichte für Anfänger. Es gibt einen Mann, eine Frau, eine Beziehung, zahlreiche Probleme, Höhen und Tiefen - das alles weist doch einwandfrei auf eine Liebesgeschichte hin, da kann wohl niemand widersprechen!

Die Geschichte ist schön, denn Peter Stamm kann schöne Sätze schreiben. Agnes, die Frau in der Geschichte, ist viel jünger als ihr Freund. Dieser ist nicht nur älter, sondern auch Schriftsteller und wird während der Beziehung von Agnes aufgefordert, "ihre" Geschichte zu schreiben. Was dann passiert, kann man sich vielleicht denken, sicher aber nachlesen, bei Peter Stamm nämlich.

Peter Stamm, der Schweizer, schreibt das alles sehr unaufgeregt, weil das Leben nun mal so ist. Nur selten schreit mal jemand, oft gehen Menschen spazieren, etwas Sex kommt vor, spielt aber keine zentrale Rolle. Die Menschen sind meistens still und leise, was nur teilweise daran liegt, dass die Handlung teilweise in einer Bibliothek stattfindet.

Auch wenn Agnes nicht das beste Buch von Peter Stamm ist, ist es eben ein Buch von Peter Stamm, und daher schon schön.

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Douglas Coupland, "Miss Wyoming"

So sehr ich mich auch bemühen mag, es ist mir leider nicht möglich, über das Buch "Miss Wyoming" etwas Negatives zu sagen. Es ist ein gutes Buch aus Amerika über Amerika und andere Dinge wie Hollywood, Liebe, Leben, Mütter, Töchter, Geld, Ideen und Sex. Das sind, überschlagen, recht angenehme Themen.

Der Autor Douglas Coupland, über den mein Freund Wildberg vollkommen zu Recht urteilte, ihn hätte man mit 17 Jahren lesen sollen, da hätte man ihn auch vollends geliebt, so wie man auch American Beauty geliebt hat, macht beim Schreiben dieses Buches kaum Fehler. Er hält sich weit fern von den Sümpfen der linken Kulturkritik, aber auch der öden Wüste des französischen Nihilistentums, er verzichtet weitgehend auf Ironie und verwendet stattdessen die natürlich wesentlich angenehmere Lakonie. Meint er das ernst was er da schreibt, der Douglas Coupland? Ja, wohl schon!

Thematisch wird Folgendes geboten: Mann mit crazy Leben trifft Frau mit crazy Leben, beide verlieben sich recht unstrukturiert ineinander. In zahllosen Rückblicken wird das verrückte Leben der beiden Personen bis zu diesem Treffen geschildert, es geht humorig zu, mitunter auch ergreifend, aber immer ganz nett, ausreichend komplex und relativ nachvollziehbar. Es ist allemal besser, dieses Buch zu lesen, als z.B. mehrere Abende in Folge im City-Chat rumzuhängen und permanent die Userliste in irgendeiner vagen Hoffnung zu aktualisieren.

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